Wachrütteln, bitte.

In unseren forward-Service Räumen hängt Kunst. Und in meiner Wohnung gibt’s fast mehr Kunst als Möbel ;-). Manches Stück macht gemischte Gefühle. Gut so! Kunst hilft uns, immer wieder bewusst die Augen aufzumachen.

Gute Kunst ist nicht zwingend teure Kunst – gute Kunst gibt Rätsel auf. Sie bewahrt ihre Tiefe auch nach dem tausendsten Blick. Bei Katzenposter- und Motivationssprüchen ist das anders. Die meisten sind so platt, dass wir sie nach kurzer Zeit nicht einmal mehr wahrnehmen.

Das ist der Grund, warum wir in unseren Büroräumen von Kunst umgeben sind, und warum ich mich auch in meiner Wohnung täglich einer Dosis Kunst aussetze. Ich lasse mich bewusst stören, um mental wach zu bleiben.

Von Roland Barthes (1915-1980), einem französischen Zeichentheoretiker, der viel über die Theorie der Fotografie geschrieben hat, gibt es diesen wirklich guten Gedanken: In vielen Bildern versteckt sich ein Störfaktor. Das kann ein Muttermal in einem schönen Gesicht sein – Sie erinnern sich an Cindy Crawford? Das kann eine falsch geknöpfte Jacke sein, der Rauch einer Zigarette, ein Loch in einer Wand. Barthes nennt diese Störer „Punctum“. So unterschiedlich sie aussehen können, der Effekt ist immer gleich: Das „Punctum“ rüttelt uns wach.

Jeder Bruch erzählt eine Geschichte

Nun ist ein Kunde keine Kunst. Aber ein Kundengespräch ist eine Kunst, und ich meine, wir können hier etwas übertragen: Je wacher unsere Aufmerksamkeit, desto eher nehmen wir kleine „Störer“ wahr. Ist da nicht eine seltsame Formulierung in einer Mail? Welche Kleinigkeit irritiert am Kundenoutfit? Kurz: Was fällt aus dem Rahmen?

Genauso wenig, wie wir Kunst abschließend erklären können, lassen sich unsere Kunden bis in die letzte Nische ihrer Persönlichkeit „lesen“. Wenn wir aber bewusst auf Brüche achten, entdecken wir so manche spannende Spur für die gemeinsame Kommunikation – wobei es immer eine gute Idee ist, die eigene Wahrnehmung ins Gespräch einzubringen, statt sie gleich als Wahrheit zu verbuchen. Denn die eigene Wahrnehmung ist fehleranfällig, so wie in Kunst jeder etwas anderes sieht.

Kunst erinnert mein Team und mich jeden Tag daran, dass das Business und unser Leben unendlich viel komplexer sind als platte Motivationssprüche. Dafür liebe ich Kunst, und dafür liebe ich auch unser Business.

Wie sehen Sie das?

Bildnachweis: hui.buh / photocase.de