„Superkraft Mensch“

Warum Service mehr verlangt als Superpower und reale Servicehelden sehr viel härter arbeiten als Batman, Superwoman und Doctor Who.

Als das druckfrische, wunderschöne Bookazine „Superkraft Mensch: Warum der Mensch im Service den Unterschied macht“ vor mir auf dem Tisch lag, bin ich auf einen Gedanken gestoßen, der mich selbst ein wenig überrascht hat und den ich gerne mit Ihnen teilen möchte: Ist es nicht viel härter, ohne Origin Story, ohne Double Identity und ohne weltweiten Applaus zu arbeiten? Haben also reale Servicehelden nicht einen sehr viel anspruchsvolleren Job als ihre fiktionalen Kollegen?

„Der Mensch ist die Superkraft, die im Service den Unterschied macht“ – davon ist Dr. Ferri Abolhassan, Servicechef der Telekom Deutschland, fest überzeugt. Was insofern überraschend ist, als der promovierte Informatiker diese Superkraft zunächst der Technik zugeschrieben hatte. Je vertrauter ihn aber seine 30.000 Telekom-Kollegen mit seinen Aufgaben machten, desto mehr wurde ihm klar: „Kunden clustern kann jeder. Kunden begeistern, Zwischentöne hören, die richtige Haltung zeigen kann nur der Mensch.“ Nur: WIE macht der Mensch den Unterschied?

Von der großen Macht kleinster Menschmomente

17 Antworten auf diese Frage finden Sie im gerade bei Frankfurter-Allgemeine Buch erschienenen Band „Superkraft Mensch: Warum der Mensch im Service den Unterschied macht“, eine dieser Antworten stammt von mir. In meiner Antwort geht es um die große Macht kleinster Menschmomente, die aus Kundenperspektive oft im größten Schlamassel passieren: Kein Mietwagen verfügbar, und die Servicemitarbeiterin besorgt trotzdem einen. Der Rechner streikt vor dem entscheidenden Meeting, und der Techniker kommt doch noch rechtzeitig mit dem richtigen Kabel. Sie kommen mitten in der Nacht im Schneeregen auf dem Hotelparkplatz an, und der Portier holt sie überraschend mit einem großen Schirm ins Trockene. Diese Momente passieren nicht einfach so. Sie brauchen emotionale Kompetenz auf Seiten der Mitarbeiter: Empathie vor allem, Zuhören und verstehen können. Sie brauchen rationale Kompetenz: Pannen ausbügeln, Bedarf antizipieren, Lösungen entwickeln. Und sie brauchen Freiraum innerhalb der digital und analog perfekt aufeinander abgestimmten Prozesse. So weit, so klar.

Gerade deshalb lohnt es sich, dem schönen Wort „Superkraft“ einmal auf den Grund zu gehen und einen kurzen Abstecher ins Reich der Superhelden zu unternehmen. Ich sehe drei Punkte, in denen sich fiktionale Superhelden radikal von realen Servicehelden unterscheiden:

  1. Die Origin Story: Ob sie nun als Kind in einen Zaubertrank gefallen (Obelix), von einer Spinne gebissen (Spiderman), von einem anderem Planeten gefallen (Superman, Doctor Who) oder ihre Eltern verloren haben (Batman, Pippi Langstrumpf) – fiktionale Superhelden erhalten ihre Superkraft so zufällig und schicksalhaft wie eine Wespe in einer Colaflasche landet. Reale Servicehelden nicht. Hinter jeder beeindruckenden Service Performance steckt harte Arbeit an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung.
  2. Doppelte Identität: Maskiert, in grellem Heldenkostüm und dramatisch von Capes umweht können fiktionale Superhelden diejenigen sein, die sie wirklich sind; ihre zivile Rolle dient dem Schutz ihrer Heldenidentität. Bei realen Servicehelden ist es anders: In ihrer Dienstuniform sind sie in ihrer professionellen Rolle, die sie auf ihre je eigene Weise mit ihrer Identität in Einklang bringen. Jedes Detail begeisternder Servicekompetenz – Prozesspräzision, Kommunikation, professionelle Empathie – haben sich reale Servicehelden in jahrelanger Praxis erarbeitet.
  3. Applaus: Weltrettung, Kampf gegen Superschurken, Spaß ohne Ende mit spektakulärer Wirkung: Das Publikum kann von fiktionalen Superhelden gar nicht genug bekommen. Damit professionelle Servicehelden wahrgenommen werden, muss es schon hart auf hart kommen: Gesundheitskrise, Großbrand, Überschwemmung. Die unendlich vielen Serviceleistungen im Alltag – Lieferung, Reparatur, Pflege – werden nicht nur kaum wahrgenommen, sondern oft sogar noch geringgeschätzt. Harte Arbeit ohne spektakuläre Wirkung. Das geht nur mit einer starken Servicehaltung.

Superkraft kommt nicht von nichts

Und deshalb sind, um auf den Anfang zurückzukommen, Menschmomente für den einzelnen Mitarbeiter genauso wichtig wie für den einzelnen Kunden. Hier wird zwar nicht das Universum gerettet, aber für den Kunden jedes Mal eine kleine, persönliche Katastrophe abgewendet, die kein Wagen, kein Rechner, kein Schirm im Alltag eben sein können. Wenn Servicehelden in solchen Momenten einen Unterschied machen, begeistert das nicht nur den Kunden, sondern wirkt als Erfolgsmoment auch positiv auf die vielen Mitarbeitenden zurück, die alle drei Punkte für sich erarbeitet haben: Persönlichkeitsentwicklung, Professionalität, Haltung. Kurz: Superkraft kommt nicht von nichts. Ich meine: Wir sollten uns das viel mehr bewusst machen. Was meinen Sie?

Herzliche Grüße

Sabine Hübner

P.S.: Arbeitgeber sind gut beraten, die Entwicklung aller drei Punkte konsequent zu fördern (wir hätten da einige Ideen). Und ihre Mitarbeitern in der Führung zu ermutigen, ihren Teams das zu geben, was diese im Unterschied zu ihren fiktionalen Kollegen nur spärlich bekommen: Anerkennung.

P.P.S: Danke an Dr. Ferri Abolhassan und seinem Team für die gute Zusammenarbeit zu „Superkraft Mensch“, das ich Ihnen an dieser Stelle ans Herz legen möchte. Offenbar hat es selbst Superkraft: Es regt an, Service immer noch einen Schritt weiterzudenken. Probieren Sie es aus!

Bildnachweis: Lucas1989 / photocase.de