Großherzig statt kleinkariert: 4 total coronöse Service-Katastrophen

Je größer die Geschäftspartner, desto kleinkarierter das Corona-Business. Peinlich! Was wir jetzt brauchen, sind großherzige Brückenbauer in die Zukunft. Denn die Zukunft der kleinen Kunden ist die Zukunft der großen Player.

Als Anfang März sämtliche Veranstaltungen und somit Vorträge bis Ende Mai gestrichen wurden, kamen alle meine Kunden auf mich zu, um mit mir über Kulanzen zu den 100 Prozent Stornogebühren zu sprechen. Mein Vortragseinkommen sank von 100 Prozent auf 0. Gleichwohl suchten wir Lösungen, die meine Kunden gut fühlen und mir als Freiberuflerin die Luft zum Atmen ließen. „Levve und levve losse“, sagt man dazu in Köln. Ich nenne das „Handschlagmentalität“, die heute immer seltener wird, die aber für langfristige Partnerschaften die wichtigste Grundlage ist.

Das wurde mir einmal mehr bewusst, als ich vor wenigen Tagen bei einer Leasinggesellschaft um ein Entgegenkommen bat. Wir haben unsere IT bei forwardservice von einer Server-Lösung auf eine Cloud-Lösung verändert, um besser „remote“ arbeiten zu können. Daher brauchen wir das Server-Sicherheitssystem nicht mehr. Das Gerät ist schon seit Oktober 2019 „abgeleast“, sodass jeder Monat länger zusätzlichen Reingewinn für die Leasinggesellschaft bedeutet. Als ich mit einer Erklärung freundlich darum bat, ob wir uns die verbleibenden sechs Monate Leasinggebühr teilen könnten, bekam ich eine so schnöde, formale und schlechte Textbaustein-Absage, dass ich schmunzeln musste. Ich meine: Die Service-Haltung einer mächtigen Leasinggesellschaft sollte anders aussehen. Meine Loyalität ist jedenfalls ziemlich erschöpft.

Ja, das richtige Maß finden – für Customer Care, ist schon immer eine Herausforderung. Die einen tun zu wenig, die anderen zu viel vom Falschen. Nun scheint es, als würden in Corona-Zeiten jegliche sanft schräge Gewohnheiten auch noch laut und schrill. Für Customer Care kann ich den gleichen Effekt bestätigen.

Im Moment fallen mir fünf verschiedene Corona-Aktivismus-Typen auf. Vier davon fallen in die Kategorie total coronöse Service-Katastrophe. Einer macht es richtig. Lassen Sie mich meine Beobachtung kurz skizzieren:

1. Die panischen Alles-Verschenker

Corona lässt beinahe überall die Umsätze einbrechen, ganz besonders bei Event-Agenturen, Coaches und im Beratungsgeschäft. Viele standen von heute auf morgen mit 100 Prozent Umsatzverlust da. „Wenn wir schon nichts verkaufen können, dann verschenken wir eben alles“ – so eine häufige Panik-Reaktion. Überall im Netz können Sie jetzt kostenlose Fortbildungen buchen, kostenlose Inhalte laden, kostenlose Software nutzen. Aus unternehmerischer Sicht ist das – wenn Sie mich fragen – ein Wahnsinn. Es ist so, als würden wir Service, den wir zuvor aus hochwertigsten Gläsern ausgeschenkt haben, nun aus Eimern wahllos in die Kundenmenge schütten. Liebe Verschenker: Viel hilft nicht immer viel!

2. Die gerissenen Kriegsgewinnler

Andere greifen in der Umsatzkrise zum Megafon. Hardselling denkt nie vom Kunden her, sondern immer aus der Perspektive des eigenen Geldbeutels. Diese Motivation spürt ein aufgeklärter Kunde von heute sofort und sie ist, sorry: sowas von 80er Jahre. Gerade jetzt, wo auch den Kunden weniger Mittel zur Verfügung stehen, bleibt da ein ganz bitterer Eindruck zurück. Liebe Hardseller: Bitte nicht! Die Corona-Keule ist ganz schlechter Stil.

3. Die stoischen Ignoranten

Dann gibt es noch die Unternehmer, die so tun, als wäre alles wie immer. Da werden weiter Service-Mails und Broschüren geschickt, die vor Monaten vorbereitet wurden und jetzt überhaupt nicht mehr in die Zeit passen. Nein, wir freuen uns jetzt nicht, endlich mit Freunden zu feiern. Geht halt nicht. Und es ist nicht egal, ob die Spülmaschine eine Woche ausfällt oder vier. Wir sind zu Hause. Wir kochen. Wir brauchen die Spülmaschine jetzt. Liebe Ignoranten: Aufwachen!

4. Die unpersönlichen Entgegenkommer

Ein erheblicher Anteil an Verantwortlichen greift in der Corona-Krise reflexartig zu dem Tool, das gefühlt immer funktioniert: Rabatt! Das kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, um Kunden durch die Krise zu helfen. Allerdings nur, wenn es sich um krisenrelevante Services und Produkte handelt. Kein Mensch braucht im Moment einen neuen Badeanzug. Oder einen Rabatt für ein Software-Abo, das er schon längst bezahlt hat. Oder eine rabattierte Marketing-Unterstützung, die an der aktuellen Zeit vorbeigeht. Was helfen würde, wären Ideen gegen den schleichenden Fixkostentod. Liebe Entgegenkommer: Mitdenken hilft.

5. Die empathischen Brückenbauer

Ja, auch die gibt es: die Customer Care Profis, die nicht eine Lösung für alle anbieten, sondern individuelle Brücken für ihre Kunden bauen. Die sich nicht in sinnlosen Rabattschlacht verausgaben, sondern sich um die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Kunden kümmern. Ich hätte da ein paar Ideen:

Ein Restaurant oder eine Raststätte würde zum Beispiel aufatmen, wenn das Kassensystem in Zeiten der Schließung erst gar nicht gezahlt werden müsste. Ein Unternehmen, das viele Software-Lizenzen einsetzt, würde von einer preiswerteren Wartungsgebühr profitieren – zum Beispiel in der Zeit, in der das System wegen des Lockdowns weniger genutzt werden konnte. Sonderkündigungsrechte für Immobilien, Mietminderungen, Kulanz in Sachen Fuhrpark, Facility Management, Steuerberatung, Rechtsberatung. Ein Aussetzen der vereinbarten Werbeverträge für Reiseplattformen durch die großen Suchmaschinenbetreiber, weil diese jetzt sowieso keine einzige Buchung erhalten, egal wie viel sie werben. Bessere Versicherungsleistungen zur Absicherung unserer Serviceheldinnen und Servicehelden… Ein persönliches Gespräch des Bankberaters mit dem Kunden, der seine monatlichen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann, anstatt eines unpersönlichen Briefes, der dem Kunden das Messer an die Kehle setzt. Die Liste der Möglichkeiten ist endlos. Bauen Sie mit individuellen Service-Ideen Brücken in die Zukunft. Denn die Zukunft Ihrer Kunden ist auch Ihre Zukunft!

Service ist kein Bonbon, das es in besseren Zeiten obendrauf gibt. Service IST das Business. Service trägt Ihr Business. Service ist ein knallharter Wirtschaftsfaktor – jetzt einmal mehr. Genau jetzt brauchen Ihre Kunden intelligentes Entgegenkommen. Damit sie diese Krise überleben und dann, wenn die Geschäfte wieder besser laufen, Ihr Entgegenkommen mit Loyalität und neuen Geschäften belohnen.

Denn letztendlich geht es im Service niemals allein um Umsatz. Ich sage: Service ist kein Projekt – Service ist eine Haltung. Gerade jetzt.

Sie wollen Service-Haltung in allen Ihren Teams? Wir haben da etwas für Sie entwickelt: unser wirksames, kollaboratives Lernkonzept welearning. Fragen Sie uns gerne. welearning rechnet sich. Weil sich Service auszahlt. Messbar und sofort. www.forwardservice.de/welearning

Mehr über Sabine Hübner
Sabine Hübner ist die Service-Performance-Beraterin der Top-Player in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Service-Haltung auf allen Ebenen. Ihre Beratungsagentur forwardservice steht für Service Empowerment. Mit eigens entwickelten Tools optimiert sie mit ihrem forwardservice-Team Service Performance und Service Design und unterstützt dabei, Kunden mit „Menschmomenten“ zu begeistern. Die geborene Österreicherin ist mehrfache Buchautorin und gefragte Keynote-Speakerin. www.forwardservice.de

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